Trauer

In Deutschland sterben jährlich mehr als 1 Million Menschen. Trauer ist eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Doch manchmal ist externe Hilfe erforderlich.

Große Wende im Leben

Trauer ist ein tiefgreifendes und schmerzhaftes Gefühl, das wir erleben, wenn wir eine bedeutende Veränderung in unserem Leben erfahren, wie

  • einen geliebten Angehörigen verlieren 
  • ein enger Freund oder Arbeitskollege stirbt 
  • ein geliebtes Tier den Tod findet 
  • die Kinder das Elternhaus verlassen 
  • eine Arbeitsstelle verlieren 
  • eine Scheidung austragen 
  • in eine andere Stadt umziehen 
  • unter einer schweren Erkrankung leiden 
  • unsere beste Freundin sich nach einem Streit von uns trennt


Trauer ist eine natürliche Reaktion auf einen Verlust und ist immer individuell. Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg der Trauerbewältigung. 

Die Phasen der Trauer

Die Trauer verläuft oft in verschiedenen Phasen, die von der Psychologin Elisabeth Kübler-Ross beschrieben wurden. Diese Phasen sind:
 

  • Leugnung: In dieser ersten Phase kann es schwerfallen, den Verlust zu akzeptieren. Manchmal fühlt man sich, als wäre alles nur ein schlechter Traum. Man hat die Hoffnung, dass es ein Irrtum ist. 
  • Zorn: In dieser Phase kann Wut aufkommen – sei es auf die Umstände, andere Menschen oder sogar auf den Verstorbenen selbst. Wir stellen und die Frage nach dem Warum. 
  • Verhandeln: Hier versucht man, mit dem Verlust umzugehen, indem man sich wünscht, dass die Dinge anders gewesen wären. Man denkt an „Was wäre, wenn“- Szenarien. 
  • Depression: Diese Phase ist oft von tiefer Traurigkeit geprägt. Man kann sich isoliert und verloren fühlen. Man trauert um ein nicht gelebtes Leben. 
  • Akzeptanz: Schließlich kommt man zu einem Punkt, an dem man den Verlust akzeptiert und beginnt, die Trauer loszulassen und einen neuen Weg im Leben zu finden. 

Trauer ist individuell

Es ist wichtig zu betonen, dass Trauer für jeden Menschen anders ist. Jeder erlebt und verarbeitet Trauer auf seine eigene Weise. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ im Umgang damit. Einerseits hängen die individuellen Trauerreaktionen stark von der Persönlichkeit und den Umständen des Verlusterlebnisses ab. Andererseits kann ein unterstützendes soziales Umfeld erheblich dazu beitragen, die individuellen Trauerprozesse bewältigen zu können. Auch kulturelle Aspekte, wie Sitten, Normen und Traditionen beeinflussen die persönlichen Trauererfahrungen.

Wann professionelle Hilfe?

In der Regel gelingt es den Betroffenen allein oder mit Hilfe des sozialen Netzes diese Verlusterfahrung zu verarbeiten. Eine normale Trauerreaktion bedarf daher keiner therapeutischen Behandlung.

Es kann aber auch vorkommen, dass der Verlust als so schwerwiegend empfunden wird, dass diese Emotionen als „unaushaltbar“ empfunden werden und es nahezu unmöglich scheint, sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Es kommt zu deutlichen Beeinträchtigungen im persönlichen, sozialen und beruflichen Umfeld. Dann kann es auch bei einer akuten Trauer sinnvoll sein, sich therapeutische Hilfe zu holen.

Anhaltende Trauer

Etwa fünf Prozent der Trauernden entwickelt eine sogenannte „anhaltende Trauerstörung“. Dabei hält der Zustand der Trauer über einen sehr langen Zeitraum - zum Teil über viele Monate, sogar Jahre - nahezu unverändert an. Die Beeinträchtigungen im Alltag und der Leidensdruck der Betroffenen sind dann sehr ausgeprägt. Hier ist eine therapeutische Unterstützung sinnvoll und notwendig. 


Folgende Symptome deuten auf eine anhaltende Trauerreaktion hin: 


Gefühle: 

  • Starker anhaltender Trennungsschmerz, mit Sehnsucht und Verlangen nach der verstorbenen Person. 
  • Gefühle von Schock, Benommenheit, Freudlosigkeit, Verbitterung und Wut über den Verlust. 
  • Schuldgefühle: etwas Wichtiges unterlassen zu haben, was den Verlust verhindern hätte können; Schuldgefühle bei positiven Gefühlen: etwas Schönes zu tun, fühlt sich wie Verrat an. 
  • Das starke Gefühl, ein Teil von sich selbst sei verloren gegangen. 
  • Emotionale Labilität und häufiges Weinen bei Erinnerungen, die an den Verstorbenen erinnern. 

 

Gedanken: 

  • Schwierigkeiten, den Verlust zu akzeptieren. 
  • Verwirrung über die eigene Rolle im Leben, Gedanken über die Leere und Sinnlosigkeit des Lebens. 
  • Andauernde gedankliche Beschäftigung mit dem Verlust („wenn ich aufhöre zu trauern, werde ich die Person vergessen“) oder auch der permanente Versuch, nicht an die verstorbene Person zu denken. 
  • Gedanken an oder Sehnsucht nach dem eigenen Tod. 

 

Körperliche Symptome: 

  • Ein- und Durchschlafstörungen, frühes Erwachen. 
  • Lebhaftes Träumen, unter anderem von der verstorbenen Person. 
  • Erhöhtes Anspannungsniveau (Übererregung) und Ruhelosigkeit. 

 

Verhalten: 

  • Vermeidung von Orten und Plätzen, die an den Verstorbenen erinnern. 
  • Exaktes Beibehalten aller Dinge, als würde der Verstorbene bald wiederkommen. 
  • Schwierigkeiten, anderen Menschen zu vertrauen oder Nähe zuzulassen. 
  • Rückzug vom sozialen Umfeld und von Hobbies. 
  • Suizidvorbereitungen oder gar selbstgefährdende Handlungen.

Verluste integrieren

Nicht adäquate Gedankengänge und Emotionen sowie ungünstige Bewältigungsversuche können den Prozess der Trauer verlangsamen oder verhindern. Die Behandlung der Trauer bedeutet die behutsame Begleitung bei dem Prozess der Akzeptanz des Verlusts und die Entwicklung einer neuen Lebensperspektive.

Entsprechend der modernen Neurobiologie ist Trauern auch eine Form von Lernen: Verlusterlebnisse können durch Anpassungserfahrungen in den Alltag integriert werden. Ziel ist es also, mit dem Verlust und der Trauer so umzugehen, dass die Trauererfahrungen in das autobiografische Gedächtnis integriert werden können und ein erfülltes Leben wieder möglich ist.

Der Therapie-Prozess

Gemeinsam mit mir als Prozess-Begleiterin wird reflektiert, welche Bedeutung die verlorene Person bzw. der Verlust im eigenen Leben gespielt hat und an welcher Stelle sie/er besonders fehlt. Während des Prozesses wird darauf hingearbeitet, den Verlust als Realität zu begreifen. Starke Trauergefühle nach dem Verlust einer geliebten Person können auch als Hinweis für eine besondere Verbundenheit bewertet werden: ein Anlass, sich mehr mit dem Wertvollen zu beschäftigen und eine Schatzkiste von einzigartigen, positiven Beziehungsmomenten zusammenzustellen.


Im Prozess werden Strategien erörtert, die Ihre persönliche Resilienz im Umgang mit der Trauer stärken. Problematische, die Trauer aufrechterhaltende Gedankengänge oder (Schuld-) Gefühle werden hinterfragt und verändert. Klingen die überwältigenden Trauer-Reaktionen dann langsam ab, erarbeiten wir mit Hilfe imaginativer Verfahren eine Art „inneres Bild“ der verlorenen Person/des Verlustes und klären noch offene Punkte mit der verstorbenen Person. 


Dieses „innere Bild“ bleibt bestehen, obwohl die Person/das Verlorene nicht mehr bei einem ist. Grundsätzlich ist es möglich, sich ein „Happy End“ für das eigene Leben und auch für das Leben von bereits verstorbenen oder zukünftig sterbenden Menschen vorzustellen. Bestimmte Rituale können die Bewältigung von Verlusterfahrungen begleitend unterstützen.


Am Ende des Prozesses orientieren Sie sich wieder nach "außen" und wir entwickeln gemeinsam neue, sinnvolle und angenehme Lebensperspektiven für Sie. 

Fallbeispiel

Die 34jährige Elena S. kam zu mir in die Praxis, weil sie um ihre verstorbene Oma trauerte. Das lag etwa 5 Monate zurück. Sie fiel nach dem Tod der Oma in eine depressive Phase und war mehrere Wochen arbeitsunfähig.


In der ersten Sitzung hörte ich Elena aufmerksam zu, wie sie von ihrer Angehörigen erzählte. Es zeigten sich sehr viele schöne Erlebnisse, die sie detailreich beschreiben konnte. Dabei begannen ihre Augen zu leuchten.


Zunächst bearbeiteten wir die nicht mehr dienlichen Gedanken und Emotionen und integrierten sie, bis alle Belastungen gelöst waren. Ich gab ihr einige Übungen, die sie auch zuhause selbst durchführen konnte. Dann konzentrierten wir uns auf die positiven Erinnerungen und Elena begann, ihre individuellen und hilfreichen Bewältigungsmuster zu erkennen und umzusetzen:


  • Elena erkannte, dass ihre Oma sterben wollte, weil sie krank war, dass sie ein hohes Alter erreicht hatte und dass niemand eine Schuld an ihrem Tod hatte. 
  • Sie erkannte, dass der Tod zum Kreislauf des Lebens gehört.
  • Sie konnte sich gedanklich mit dem „Geist“ der Oma verbinden und mit ihr sprechen, zum Beispiel mitteilen, dass sie traurig ist, aber versteht, dass die Oma gehen wollte.
  • Sie besuchte das Grab und legte Rosen darauf, die Lieblingsblumen der Oma.
  • Sie schrieb einen Dankesbrief an die Oma und vergrub ihn in der Erde des Grabes.
  • Sie legte eine persönliche Schatzkiste mit Symbolen für alle schönen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit an.
  • Sie stellte als Andenken ein Foto der Oma mit einer Kerze an einer wichtigen Stelle in ihrer Wohnung auf.
  • Sie gestaltete ein Trauer-Bild als große Blume. Symbolisch für besonders schöne Momente mit der Oma klebte sie kleine Miniaturen darauf, wie eine Katze, Blumen, Herzchen u.v.m. Das Bild hängte sie an die Wand ihres Zimmers. 


Insgesamt dauerte es nur 4 Sitzungen, bis Elena die Trauererfahrung verarbeiten und integrieren konnte.

Fazit

Trauer ist ein natürlicher Teil des Lebens, der uns lehrt, die Liebe und die Erinnerungen an die Menschen, die wir verloren haben, zu schätzen. Indem wir uns unseren belastenden Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen stellen, sie akzeptieren und verändern, können wir letztendlich einen Weg finden, den Verlust zu integrieren und unser Leben sinnvoll und erfüllt fortzuführen. Es ist ein Zeichen von Stärke, Hilfe zu suchen und sich in schwierigen Zeiten Unterstützung zu holen.

Benötigen Sie Hilfe beim Verarbeiten und Integrieren von Trauererfahrungen? Sprechen Sie mich gerne an.